Die Pfälzer Autonomiebewegung

Die Pfalz, heute Teil des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, hatte lange eine wechselvolle Geschichte. Im Dreissigjährigen Krieg wurde sie stark verwüstet und verlor ihre Kurwürde an Bayern (siehe https://www.dreissigjähriger-krieg.de/kriegkurpfalz.html). Auch später war ihre Geschichte stark mit Bayern verquickt und so wurde sie nach den Napoleonischen Kriegen 1816 gänzlich mit Bayern verheiratet.

Die Lage der Pfalz (Rot), während ihrer zugehörigkeit zu Bayern (Blau)

 
Bereits im Herbst 1918, als die Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg absehbar war, gründete der Chemiker Eberhard Haaß den „Bund Freie Pfalz“ um eine Autonomie von Bayern zu erreichen. Sein Putschversuch mit der Ausrufung der „Pfälzische Republik“ am 1. Juni 1919 war jedoch, auch aufgrund geringer Unterstützung, zum Scheitern verurteilt und so verblieb die Pfalz auch zum Beginn der Weimarer Republik ein Teil von Bayern.

 
Erst durch die Krisen des Jahres 1923 (siehe auch Krisenjahre) nahmen die separatistischen Bewegungen in der Pfalz wieder an Fahrt auf. So waren es im Oktober 1923 pfälzische Sozialdemokraten und französische Kommandeure der Besatzung, welche die Abspaltung der Pfalz von Bayern, bzw. die Schaffung eines eigenen pfälzer Staates innerhalb des deutschen Reiches, politisch erreichen wollten. Am 24. Oktober 1923 scheiterten sie vor dem pfälzischen Kreistag und so nahmen bald darauf radikalere Kräfte das Ruder in die Hand.





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Der pfälzischer Separatist Franz Joseph Heinz wollte nicht nur eine von Bayern unabhängige Pfalz, sondern einen komplett vom Deutschen Reich getrennten und an Frankreich angelehnten Staat. Mit Hilfe seines „Pfälzischen Corps“ besetzte er die öffentlichen Gebäude mehrere Städte ohne dabei auf große Gegenwehr zu stoßen. Gebilligt von den französischen Militärbehörden besetzten die Separatisten am 10. November 1923 auch das in Speyer ansässige Dienstgebäude der Kreisregierung und riefen zwei Tage später die „Autonome Pfalz“ unter Präsident Heinz aus.

 
Die „Regierung Heinz“ hatte es jedoch äußerst schwer Fuß zu fassen, nicht zuletzt auch weil es allen Regierungsmitgliedern an administrativer Erfahrung mangelte und viele Beamte den Dienst gegenüber der neuen Regierung verweigerten.
So war die neue Regierung vor allem damit beschäftigt unbeugsame Beamte zu verhaften, Loyalitätserklärungen einzufordern und öffentliche Kassen zu plündern. Die Verwaltung selbst kam praktisch zum Stillstand und die ohnehin große wirtschaftliche Not verschärfte sich weiter.

Die Leiche von Heinz nach dem Attentat im Wittelsbacher Hof

 
Frankreich gefiel die Idee einer von Deutschland unabhängigen Pfalz und so bereitete man für den 12. Januar 1924 bereits die Anerkennung des neuen Staates vor. Soweit sollte es aber nicht kommen: Der als terroristisch einzustufende Wehrverband Bund Wiking stürmte am 9. Januar 1924 das Hotel „Wittelsbacher Hof“ in Speyer, wo Franz Joseph Heinz mit mehreren Gefolgsleuten im Speisesaal zusammensaß. Nachdem die rund 20 bewaffneten Männer den Saal betraten, sprachen sie die Worte „Hände hoch, es gilt nur den Separatisten!“ und eröffneten das Feuer. Franz Joseph Heinz und seine Gefolgsleute hatten kaum eine Chance sich zu wehren, dennoch starben beim Schusswechsel neben den Opfern auch zwei der Attentäter. Der erfolgreich durchgeführte Anschlag kam unter dem Wissen und der Billigung der bayerischer Regierungsstellen zustande.

 
Nach dem Tod von Heinz und mehrerer enger Gefolgsleute war das Unternehmen „Autonome Pfalz“ endgültig zum scheitern verurteilt, da half auch nicht der kurzfristige Versuch von Heinz Stellvertreter Adolf Bley die Regierung aufrecht zu erhalten. Schon längst hatten die Separatisten den Rückhalt in der Bevölkerung verloren bzw. größtenteils nie erreicht, wie sich bald darauf in Pirmasens zeigte.
Dort hielten die Separatisten auch am 12. Februar 1924 noch das Bezirksamt in ihren Händen und versuchten mit der Unterbindung der Pirmasenser Zeitung weiter ihren Einfluss aufrechtzuerhalten. Die Bevölkerung reagierte jedoch zornig und eine große Menschenmenge versammelte sich vor dem Bezirksamt um den Abzug der Separatisten zu fordern. Als diese sich jedoch weigerten und sogar Schüsse in die Menge abgaben, eskalierte die Situation schon bald. Die Angreifer, mittlerweile auch bewaffnet, stürmten das Bezirksamt, zündeten es an und lynchten die Besetzer. Das Ende der Pfälzer Autonomiebewegung war besiegelt.

 
Die Pfalz blieb bis zum Ende der Weimarer Republik ein Teil von Bayern. Ab 1940 gehörte sie einem mit dem Saarland und später auch mit Lothringen zusammengewürfelten Gaubezirk an. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie dem neu gegründeten und heute noch existierenden Bundesland Rheinland-Pfalz zugeordnet.