Die Katastrophe von Oppau – 21.09.1921

Als am 04. August 2020 Beirut durch eine Ammoniumnitrat-Explosion in Schutt und Asche gelegt wurde, gingen die erscheckenden Bilder der unglaublichen Sprengkraft und Zerstörung um die Welt. Heute fast in Vergessenheit geraten ist, dass eine ganz ähnliche Katastrophe auch in Deutschland, zur Zeit der Weimarer Republik, stattfand. Eine Explosion im Oppauer Stickstoffwerk am 21.09.1921 forderte insgesamt 559 Menschenleben plus faste 2.000 Verletzte und gilt bis heute als größte zivile Explosionskatastrophe in der deutschen Geschichte.

Das BASF-Werk in Oppau 1914 auf einem Gemälde von Otto Bollhagen

 
In Oppau, welches heute ein Teil von Ludwigshafen ist, betrieb die Badischen Anilin- & Soda-Fabrik (BASF) seit 1913 ein Stickstoffwerk für die Herstellung von Ammoniumsulfatnitrat-Dünger. Die Verfügbarkeit von stickstoffhaltigen Düngern als „Motor des Pflanzenwachstums“ war für die landwirtschaftliche Produktion des noch jungen Jahrhundert von großer Wichtigkeit um die Versorgung der stetig wachsenden Bevölkerung zu gewährleisten.
BASF konnte den Dünger, nach dem sogenannten Haber-Bosch-Verfahren durch chemische Synthese von Ammoniak, im Oppauer Werk in großen Mengen zur Verfügung stellen. Zu Beginn der Weimarer Republik und bedingt durch die Kriegsniederlage, musste das Werk fortan auch große Mengen an die Siegermächte, allen voran Frankreich, liefern.

 
Im Zusammenhang mit dem späteren Unglück ist es wichtig zu wissen, dass Ammoniumnitrat durch Initialzündung zur Explosiv gebracht werden kann. Erst durch die Beimengung von genügend Ammoniumsulfat zum bereits genannten Ammoniumsulfatnitrat-Dünger, verliert es seine Explosionsfähigkeit. Damalige Tests haben ergeben, dass die Grenze der Explodierbarkeit bei mindestens 60 % Ammoniumnitratanteil liegt. Der Ammoniumsulfatnitrat-Dünger mit knapp 55 % galt daher als sicher.
Aus diesem Grund gehörte es auch zur üblichen Handhabung, das nach der Produktion verklumpte Ammoniumsulfatnitrat in den Silos durch Sprengladungen zu lockern, da der Abbau alleine mit Werkzeug als zu aufwendig galt. Vor dem Unglückstag hatte BASF dieses Sprengverfahren bereits etliche tausend Male durchgeführt und auch von den Aufsichtsbehörden war es genehmigt und als bedenkenlos eingestuft.





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Am 19. September 1921 lagerten im Unglücksgeäude Op 110 ca. 4500 Tonnen Ammoniumsulfatnitrat, die auf ihren Abtransport warteten. Als am Nachmittag des 20. September die ersten Spregungen zur Lockerung durchgeführt wurden, lief noch alles seinen gewohnten Gang und niemand ahnte, was am nächsten Morgen bevorstehen sollte.
Um 7:32:14 Uhr am 21. September explodierten ca. 80 Tonnen des Ammoniumsulfatnitrat und führten durch die dabei entstehenden Flamen nur 4 Sekunden später zu einer noch gewaltigeren Expolsion von ca. 400 Tonnen des Ammoniumsulfatnitrats. Warum die durch Sprengmeister Hermann Humpe an diesem Morgen durchgeführte Lockerungsspregung eine solche Kettenreaktion herbeiführte konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden.

Durch die Explosion zerstörte Wohnhäuser im nahegelegenen Oppau

 
Die zerstörerische Kraft der Explosion war unbeschreiblich. An Stelle des Gebäudes Op 110 war ein fast 20 Meter tiefer Graben getreten. In den angrenzenden Ortschaften Oppau und Edigheim wurden weit über 1.000 Gebäude völlig, und viele weitere stark, zerstört. Alle Einwohner von Oppau waren praktisch binnen Sekunden Obdachlos.
Die wahnsinnige Kraft der Explosion lässt sich auch dadurch erfassen, dass sogar im 25 Kilometer entfernden Heidelberg noch Dächer abgedeckt wurden und eine Straßenbahn entgleiste. Selbst im 300 Kilometer entfernden München waren die Explosionen noch akustisch, in Form zweier dumpfer Schläge, zu hören.
Dabei wäre das Potential der Explosion sogar noch größer gewesen, hätte die zweite Explosion, das verbliebene Ammoniumsulfatnitrat nicht so in alle Himmelsrichtungen verstreut, dass im Endeffekt „nur“ ca. 10 % des gelagerten Materials in Gebäude Op 110 explodierten.

 
Nach dem Unglück wurde damit begonnen die verletzen zu bergen und abzutransportieren, selbst die französischen Besatzungstruppen beteiligten sich an der Rettungsaktion. Dies war auch bitter nötig, schließlich waren vor Ort apokalyptische Szenen vorzufinden und die Zahl der Verletzten summierte sich auf fast 2.000. Von den sich nah am Explosionsherd befindenten Personen hatte niemand überlebt und so gab es auch keinerlei Zeugen zum Unglück oder dessen genauen Hergang. Es wird wohl angenommen, dass das Mischungsverhältnis des Unglücksmaterial nicht passte – Beweisen lässt sich das heute natürlich nicht mehr.

 
An der am 25. September 1921 angesetzten Trauerfeier nahmen ca. 70.000 Menschen teil. Das restliche noch auf dem Werksgelände befindliche Ammoniumsulfatnitrat wurde per Hand abgebaut, weitere Sprengungen von Düngermischungen wurden noch im gleichen Jahr behördlich verboten. Insgesamt sollte es an die drei Jahre dauern, bis alle Schäden der Explosion beseitigt werden konnten.