Der 9. November ist in der deutschen Geschichte ein sehr besonderer Tag, da er sowohl mit positivem (Mauerfall 1989) als auch mit negativem (Reichspogromnacht 1938) belegt ist. Auch in der Weimarer Zeit spielte er schon eine große Rolle, so fällt z.B. der Hitlerputsch von 1923 ebenfalls auf einen 9. November. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der 9. November oft auch „als Schicksalstag der Deutschen“ bezweichnet wird. Den Beginn dieser Reihe von Ereignissen nimmt hierbei der 09.11.1918 ein, der Tag an dem die Republik in Deutschland ausgerufen wurde und eine neue Zeit anbrach.
Als der Erste Weltkrieg faktisch schon verloren war, wollte die Seekriegsleitung am 24. Oktober 1918 die deutsche Hochseeflotte in eine militärisch sinnlose Endschlacht gegen die Briten entsenden. Unter den Schiffsbesatzungen kam es alsbald zur Meuterei und zu Matrosenaufständen, dem Beginn der sogenannten Novemberrevolution, die schon bald das gesamte Deutsche Reich erfasste.
Unmittelbare Folge der Revolution war die Abdankung zahlreicher Bundesfürsten, wie z.B. der Wittelsbacher in Bayern. Die SPD-Führung und allem voran Friedrich Ebert war mit dem Status Quo eigentlich zufrieden, da durch im Oktober durchgeführte Reformen bereits eine parlamentarische Monarchie entstanden war. Dennoch drängten auch sie auf eine persönliche Abdankung Wilhelms II., der nach dem Kriegsverlauf für den Fortbestand der Monarchie nicht mehr haltbar war.
Gegen Ende des 8. Novembers nahmen die Ereignisse in Berlin Fahrt auf, als die SPD Führung davon erfuhr, dass die Linke USPD am nächsten Tag zu großen Massenprotesten aufgerufen hatte. Da man davon ausging, dass hierbei die Abschaffung der Monarchie ein großes Ziel darstelle, drängt Ebert den kaiserliche Reichskanzler Max von Baden dazu, die Abdankung des Kaisers zu verkünden um so etwas Druck aus den Protesten zu nehmen. Schon am Morgen des 9. November, und noch bevor Wilhelm II. selbst Bescheid wußte, wurde der Thronverzicht des Kaisers bekannt gegeben. Kurze Zeit später floh dieses in die Niederlande ins Exil, während Max von Baden, noch am Mittag des 9. November, die Kanzlerschaft auf Friedrich Ebert übertrug. Ebert glaubte zu diesem Zeitpunkt weiterhin, dass die Monarchie an sich erhalten bleiben könnte.
Als sich die Nachricht vom Thronverzicht in Berlin verbreitete, waren die Demonstrationen längst im vollen Gange und obwohl die SPD dazu aufgefordert hatte sich zu zerstreuen, nahmen die Massen weiter zu. Der SPD-Politiker und Staatssekretär Philipp Scheidemann erfuhr noch während seines Mittagessens davon, dass der Linke Karl Liebknecht eine Räterepublik für Deutschland ausrufen wollte. Um die Masse auf seine Seite zu holen und Liebknecht zuvorzukommen, trat Scheidemann kurzentschlossen und ohne Abstimmung mit Friedrich Ebert, um kurz nach 14 Uhr, auf den Westbalkon des Reichstages, um vor der versammelten Menschenmenge die Republik auszurufen. Laut der Vossischen Zeitung waren die Worte Scheidemanns wie folgt:
Wir haben auf der ganzen Linie gesiegt, das Alte ist nicht mehr. Ebert ist zum Reichskanzler ernannt, dem Kriegsminister ist der Abgeordnete Leutnant Göhre beigeordnet. Es gilt nunmehr, den errungenen Sieg zu festigen, daran kann uns nichts mehr hindern. Die Hohenzollern haben abgedankt. Sorgt dafür, daß dieser stolze Tag durch nichts beschmutzt werde. Er sei ein Ehrentag für immer in der Geschichte Deutschlands. Es lebe die deutsche Republik.
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Es gibt jedoch auch abweichende Wortlaute, wie z.B. durch die stenographischen Aufzeichnungen des Journalisten Ernst Friedegg oder durch eine nachträglich aufgenommene Schalplattenversion von Scheidemann selbst.
In jedem Fall kam es direkt nach Scheidemanns Vorgehen zu einem kurzen Streit zwischen ihm und Friedrich Ebert, der bis zuletzt an eine parlamentarische Monarchie geglaubt hatte.
Erst knapp zwei Stunden später trat Karl Liebknecht vor dem Berliner Stadtschloss auf einen Lastwagen, um seinerseits einen Aufruf zu machen und eine freie sozialistische Republik zu proklamieren.
Obwohl es zu einer Erstürmung des Schlosses und einer weiteren Ansprache Liebknechts kam, war die Nachwirkung von Liebknechts Proklamation deutlich geringer. Es fehlte in der fundamentalen Linken eine starke Machtbasis, ausserdem gelang es der SPD, die USPD zeitweise zu einem Eintritt in eine gemeinsame Regierung, dem sogenannten Rat der Volksbeauftragen, zu bewegen.
Im Januar kam es mit dem Spartakusaufstand nochmals zu einem Aufflammen der Linken. Nach dessen Niederschlagung und der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg war die Idee einer sozialistischen Republik vorerst gestorben.